La Vierge 3'232m

Auf der Südseite unserer Walliser Grenzberge zieht das lange Valpelline von Aosta bis zur Dent d'Hérens entlang den Bergipfeln. So lässt sich mancher Dreitausender bequem erwandern, während von der Nordseite Gletscher den Aufwand erhöhen. Zudem ist die Südseite schön warm, einsam und verlockend mit den vielen Gaumenfreuden. (Genepy, Salami, Teigwaren etc. :-))

Nach einem langen Tag an der Tête Blanche haben wir uns im Rifugio Prarayer verwöhnen lassen. Duschen und ein Viergang Menü haben die müden Glieder wiederbelebt.
Am Morgen früh, noch bei Dunkelheit brechen wir auf. Gerne würden wir heute auf dem Mont Brulé stehen. Doch schon eine Stunde später spüren wir, dass heute die Kraft nicht reicht. Für solche Fälle habe ich immer einen Trostgipfel bereit. Dieser wurde dann zum sehr schönen Gipfelerlebnis und Trost brauchten wir wahrlich keinen ob der Schönheit der Umgebung.
Vom Rifugio Prarayer folgt man einem schönen Weglein, es ist mit der Nummer "8" gelb markiert. Vorbei an der Alp La Garda zieht der Weg hinein in die Comba d'Oren. Ein Talkessel der mal eng, dann wieder breiter wird. Ab 2'400m wird der Weg dann steil und windet sich rechts hinauf. Teilweise sind Stifte und Tritte hilfreich. Die Umgebung wird steinig und Geröllhänge begrenzen die hohen Gipfel links und rechts. Besonders imposant ist die Ostseite der La Singla. Schroff, dunkel und zerrissen.
Beim Rif. Nacamuli machen wir Pause. Dieses wird manchmal auch Rif. Collon genannt. So findet man unterschiedliche Wegzeichen die aber das Gleiche Ziel meinen. Ein kleines Nebengebäude ist der Winterraum. Nicht gerade einladend, etwas unordentlich und baufällig. Aber in der Not wäre es eine dankbare Unterkunft. Wolldecken sind vorhanden. Hier lasse ich meine Liebste für ein paar Stunden zurück und gehe alleine weiter.

Vom Rifugio Nacamuli folgt man weiter dem Weglein durch eine weiträumige Mulde und steigt dann etwas steiler gegen den Col Collon an. Oben auf dem Pass ändert das Bild dann schlagartig. Der Haut Glacier d'Arolla kommt bis auf den Pass und hier hat sich ein kleiner See gebildet. Eisschollen schwimmen auf der Oberfläche. Rechts geht es steil hinauf zum Mont Brulé. Der Hang ist teilweise aper. Vor mir steht sie, La Vierge. Ein steiler, felsiger Zahn wie eine Insel im Eis.
Am Fuss des SW-Hanges sieht man ein dominantes Couloir das sich verengt zu einem Kamin. Hier ist die Route. Kaum verlasse ich den Firn, kämpfe ich gegen den losen Schotter. Es ist ein Wettkampf gegen die physikalischen Gesetze. Jeder Schritt löste mehrere Geröllbrocken und diese kullern abwärts. Sofort rutscht neues Material nach. Nach zehn Minuten wühlen erreiche ich das Couloir. Es sieht steil aus, aber nicht unmöglich. Die Schwierigkeit besteht darin, die festen Griffe zu finden. Ich komme gut vorwärts und kann bald den Kamin verlassen. Schwache Spuren im feinen Kies verraten den Weiterweg. Das ist aber nicht so schwierig, die Route ist logisch. Kurz vor dem Gipfel wird ein fast senkrechter Zahn von ca 2 Meter erklettert (I+) Gute Griffe machen Mut. Die Umgehung wie sie Sky benutzt hat schien mir viel heikler. Dann sind es nur noch wenige Schritte zum luftigen Gipfel. Eine Aussichtskanzel inmitten der hohen Nachbarn. Mont Brulé, L'Eveque, Mont Collon und die Bouquetins umrahmen die kleinere La Vierge wie Beschützer. Ich staune über den luftigen Sitz in dieser Arena! Vom Fuss zum Gipfel ca. 20min. 

Nach einer längeren Pause mache ich mich an den Abstieg. Das geht ganz flott und nach gut 10 Minuten stehe ich schon wieder im Geröll. Beschwingt und glücklich umrunde ich noch den kleinen See. Dann gehts flott zurück zum Rifugio Nacamuli. Hier wieder eine Pause und natürlich erzählen.
Zusammen wandern wir wieder zurück zu unserem Stützpunkt Prarayer.

Es war ein langer und schöner Tag. Viele Eindrücke bleiben, besonders auch die herzliche Gastfreundschaft der Gastgeberin Rosanna.

Das Aostatal mit den vielen Seitentälern bietet dem Wanderer vielseitige Möglichkeiten. Wandern, Klettern oder sogar anspruchsvolle alpine Touren sind möglich. Zudem ist die Gastfreundschaft und die kulinarischen Genüsse zu verlockend um einfach nur durchzureisen.

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